Mike Al Becker

Lebenswege04

Mike Al Becker
Rockmusiker

Ein Neunjähriger kommt unter die Räder: Er fährt mit dem Fahrrad aus der Hinterhofeinfahrt auf die Straße, das Auto ist viel zu schnell um zu bremsen. Der Junge fliegt durch die Luft, landet auf dem Bordstein. Doppelter Schädelbasisbruch, Gehirnquetschung, Koma. Die Ärzte glauben nicht an sein Überleben und als er dann nach drei Wochen doch aufwacht, nicht an seine geistige Gesundheit.

Doch Michael „Mike Al“ Becker (* 29. 7. 1961 in Hagen) erholt sich schnell, geht weiter zur Schule. Zwar setzen drei Jahre später gelegentliche Anfälle ein, die mit starken Medikamenten bekämpft werden müssen, doch nach weiteren fünf Jahren setzt Mike, inzwischen Betriebsschlosserlehrling, sie einfach ab – ohne Folgen.

1987 hat er nicht so viel Glück. Jemand fährt in sein Auto, Beckers Halswirbelsäule bricht. Erst ist er nur „stinkesauer“, das Wetter ist schön, er ist mit einer Ex verabredet, erhofft sich, „dass da was läuft“. Doch dann läuft gar nichts mehr. Die Rehaklinik schockt, ein seit Jahren querschnittgelähmter Bettnachbar ist übergewichtig, leidet unter offenen Druckstellen. Den Frischverletzten packt das Grausen: „Soll das meine Zukunft sein?“

Die Musik war seit dem fünften Lebensjahr Mike Al Beckers Begleiter. Die Eltern ließen sich scheiden, er besuchte den Vater, der hatte eine Gitarre auf dem Schrank: „Darauf habe ich rum gehauen.“ Später hatte er in Bands gespielt, eine hieß „Pigs and Dogs.“ Das geht jetzt auch nicht mehr. Doch nun sattelt er um – auf Mundharmonika, genauer: „Bluesharp“. Mike Al Becker wird zum „Rollimann“. So heißt seine erste CD, die neun Jahre nach seinem zweiten Unfall erscheint. Bereits in der Klinik fängt er an, „Männekes zu machen, den Leuten Mut zu machen“. Seinen Blues begleitet ein Gitarre spielender Pfleger. Ein anderes Mal mutiert Musiktherapie zur „Session“. Die Herdecker Klinikleitung packt das Grausen, als eine Verstärkeranlage den „roten Saal“, eine Art anthroposophisches Heiligtum, beschallen soll.

Heute haben Mike Al Becker und seine Band, die „Simulanten“ („alle, die nicht im Rolli sitzen“) fast jede Woche einen Auftritt – siehe www.al4all.de. Der „Rollimann“ hat seine alten Kontakte genutzt, auch neue Unterstützer gefunden und wurde so der Rock’n Roller (nicht nur) der Rolli-Szene. Glück hat er gehabt, findet er, denn „es gibt immer Schlimmeres“. Und er hat seinen Traum verwirklicht, den Leuten gezeigt: „Man kann was machen als Rollstuhlfahrer.“